Am kommenden Sonntag ist wieder Caritas-Kollekte. 90% des Ertrages bleiben den Gemeinden zur Verfügung für ihre gemeindlich – diakonische Arbeit. 10 % werden vom Diözesancaritasverband (bei uns um die Ecke, in der Georgstr. 7 ansässig) verwaltet und kommen überregionalen Aufgaben der Caritas zugute.

In unserer Gemeinde ist die diakonische Arbeit überwiegend durch Einzelfallhilfen geprägt. Im Laufe eines Jahres kommen viele Bedürftige und bitten um eine Unterstützung. Manchmal ist nicht so ganz nachprüfbar, was jetzt der ganzen Wahrheit entspricht. Es kommen Menschen mit Anliegen, die evtl. auch über das Sozialamt oder das Jobcenter zu regeln wären. Ich versetze mich dann in die Lage derer, die um Hilfe bitten. Da leuchtet mir ein, dass mancher Behördenweg zu mühsam wird, weil die Anfragenden in der Regel mehr als genug Kontakte mit den Behörden haben. Behörden haben ihre Regeln, ihre Vorgaben, die evtl. den spontanen Notwendigkeiten oder auch den allzu menschlichen Wünschen nicht sofort zur Verfügung stehen können. Dann gibt es immer wieder einmal Verzögerungen in Überweisung von Geldern. Für Menschen, die eine Rücklage haben, ist so etwas ärgerlich, für Arme kann es existentiell werden.

Natürlich gibt es auch Menschen, die um Unterstützung bitten, weil sie mit den Zahlungen des Jobcenters oder des Sozialamtes nicht vernünftig umgegangen sind. Auch da: Wer Rücklagen hat, kann sich Ausreißer leichter erlauben.

Es kommen Menschen, die nach Deutschland eingereist sind und teils nach Jahren eigener Bemühungen merken, dass sie hier keine realistische Überlebenschance, geschweige denn eine sich selbst sicherndes Auskommen haben werden. Da sammelt sich auch Not an. Auch da hilft der Versuch, sich in das Schicksal dieser Menschen einzudenken, um zu begreifen, dass es mancher Schleife bedarf, bis endgültig klar ist, dass der Traum eines wirtschaftlich und sozial gesicherteren Lebens in Deutschland nicht gelingen wird. Da helfen z.B.

Fachstellen des Caritasverbandes für die Stadt Köln – auch, um eine Rückkehr in das Heimatland hinzubekommen. Aus gesicherten Lebensverhältnissen lässt sich leicht argumentieren, welchen Illusionen Menschen aufgesessen sein könnten. Auch da hilft der Versuch eines Rollentausches um zu erahnen, wie Not entsteht und wie mühsam es sein kann, diese Not aus eigener Kraft zu wenden.

Oft ist tatsächlich eine finanzielle Gabe die Not wendende Möglichkeit. Da helfen kein Paket Nudeln oder Konserven, da wird Geld gebraucht, um den Lebensunterhalt halbwegs zu gewährleisten.

Menschen in Not kommen an die Pfarrhaustüre – Gottlob, dass sie die Kirche noch als einen Ort wissen, an dem man mit seiner Not kommen kann. Meist sind diese Besuche im Pfarrhaus mit Gesprächen verbunden. Wenn jemand schellt, wird er/sie hereingebeten. Dann können wir reden. Dass am Ende eines solchen Gespräches oft die Bitte um Geld steht, ist eine Wirklichkeit. Das Gespräch vorher ist in der Regel kein Trick, um Geld zu bekommen. Fast immer sind es Gespräche, die wirklich die Personen betreffen, die kommen. (Und für die Anderen, die eigentlich nur Geld wollen: Die Armut macht erfinderisch.) Und es gibt Menschen, die kriegen es (sich) einfach nicht geregelt, was unter den Bedingungen der Straße, unter psychischer Beeinträchtigung, teils unter Suchterkrankung kein Wunder ist. Wem stünde zu, das zu beurteilen?

Dankenswerter Weise haben Sie im Vorjahr die Kollekte des Caritassonntags sehr großzügig beschenkt. So konnte auch in diesem Jahr wieder vielfältig Hilfe geleistet werden. Hier einige Beispiele, um was es gehen kann:

* Ein wohnungsloser Mann erbittet Geld für 3 Übernachtungen in einer sehr billigen Pension, bis er in eine Pflegeeinrichtung aufgenommen werden kann.

* Ein Mann ist aus dem Knast entlassen und will zu seiner Familie zurück nach Bosnien. Der Bus fährt erst am kommenden Tag. Er braucht eine Übernachtung.

* Eine Frau braucht für ihre zwei kleinen Kinder und ihre kranke Schwiegermutter Geld zum Lebensunterhalt. Weil sie gegen die Ausweisung (nach mehreren Jahren hier leben) klagt, ist das gesamt Geld an den Anwalt gegangen.

* Ein psychisch Kranker wurde 30. Er wollte so gerne nach Wuppertal fahren.

* Eine Familie muss Pässe beim Konsulat in Düsseldorf beantragen. Fahrt dorthin, Passfotos, Gebühren – der Unterhalt eines Monats kann nicht die Gesamtkosten tragen.

* Eine Familie, die seit 2 Jahren in einer Unterkunft lebt, hat Aussicht auf eine Wohnung und muss wenigstens die Anzahlung einer Kaution hinterlegen. Bis so ein Antrag beim Sozialamt durch ist, ist die Wohnung weg.

* Ein Obdachloser wurde über Nacht ausgeraubt und braucht etwas, um sich Essen zu kaufen.

* Der Mann mit dem Problem der nötigen Windeln und der Astronautenkost kommt auch noch einmal, weil die Zahlungen nicht rechtzeitig eingegangen sind.

* Eine Familie kann den Strom nicht bezahlen. Abschaltung steht an. Die kranke Mutter ist die einzige, die in der Familie handeln kann – der Mann pflegebedürftig, die erwachsenen Kinder unfähig, sich selbst zu organisieren.

* Neue Schuhe für einen Mann, der vor lauter innerer Unruhe immer nur laufen muss.

* Ein Gymnasialkind aus armer Familie (Mutter tot, Vater arbeitslos) soll auf Klassenfahrt mit. Das Sozialamt wollte den ‚Luxus‘ nicht bezahlen. Es fehlten dem Vater noch 50 €.

* Eine Mutter mit zwei Kindern, selbst 3 Schlaganfälle, einen Monat auf der Straße, jetzt in ein Hotel eingewiesen, braucht Stärkung des Lebensunterhaltes.

Viele dieser Menschen kenne ich schön länger und weiß, dass deren Angaben stimmen. Mir hilft es, zu versuchen, mich in deren Lage zu versetzen. Dank der Spenden aus dem Vorjahr konnte diesen Menschen in Notsituationen meist geholfen werden. 1851,00 € sind in diesem Jahr auf diesem Weg ausgegeben worden – für beide Gemeinden. Das entspricht dem, was auch im Vorjahr ausgegeben wurde.

Die Caritas-Gelder sind dafür da, dass sie Menschen in Not helfen. Danke, dass Sie das durch Ihren Beitrag zur Caritas-Kollekte am Caritassonntag mit möglich machen. Wie gesagt: Es ist wohl, dass die Kirche und das Pfarrhaus noch als Orte gewusst sind, an denen man mit seiner Not – materiell und immateriell – schellen darf.

Manchen ist bange bei der Überlegung, ob die Notsituation nicht selbst verschuldet sei oder ob die Anfragenden wirklich die Unterstützung nötig haben. Wenn Not existentiell da ist, tritt die Frage nach der Schuld aus der ersten Reihe. Und ob jemand sich Geld unredlich erschleicht – auszuschließen ist es nicht. Selbst da ist eine Not im Hintergrund. Aber die meisten, die Hilfe suchen, brauchen sie. Gut, dass sie dann uns zu ihren Nächsten machen. Indem sie da sind, machen sie uns zuständig – sei es, dass wir selbst Hilfe leisten, sei es, dass wir Wege aufweisen können, wie und wo die Not Linderung erfahren kann.

Danke für Ihr waches Herz, sich zur Nächsten machen zu lassen. Danke für das, was Sie auch am kommenden Sonntag in die Kollekte einbringen mögen und können.

Danke! Ihr Matthias Schnegg